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Gastbeitrag: Erste Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation

Gastbeitrag von Steffi Rohde: Man kann sich ja nicht immer gut verstehen! – Erste Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (GfK)

Mit meinen bisherigen Fähigkeiten Sprache anzuwenden, stoße ich regelmäßig an meine Grenzen.

So gibt es Alltagskonflikte mit meiner Tochter, meiner Mutter, mit Freund*innen oder Kolleg*innen. Mir begegnen dabei häufig „Nein!“ – „Doch!“- Dialoge, Rechtfertigungen à la „Ja- aber“ und am Ende hat derjenige gewonnen, der entweder am Lautesten den Konflikt beendet hat oder die meisten Argumente entgegnen konnte. Zeitraubend und anstrengend empfinde ich diese Art des verbalen Austauschs, der meiner Erfahrung nach selten das Ziel hat, zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen.

Ein Beispiel? Na gerne:

  • Ich: „Komm, zieh dich an, wir müssen los!“
  • Kind: „Nein.“
  • Ich: „Ich muss aber zur Arbeit.“
  • Kind: „Ich will aber nicht!“
  • Ich: „Es geht nicht um wollen, wir müssen halt los!“
  • Kind ignoriert mich
  • Ich: „Bitte komm jetzt! Ich komme sonst zu spät!“
  • Kind: „Bekommst du dann Ärger?“
  • Ich: „Ja.“
  • Kind: (lachend) „Oh wie schade. Mama bekommt Ärger.“

Was nun folgte? Verfolgungsjagd, Geschrei, der Versuch das Kind zu erwischen und anzuziehen, Tränen, Trösten, Anziehen und zu spät aus dem Haus gehen.

Erstaunlich, dass solch eine Kommunikation in meinem Umfeld ganz normal zu sein scheint: „Das kenne ich auch, so ist das nun mal.“, „Man kann sich ja nicht nur gut verstehen.“, oder mein persönliches Highlight in Bezug auf meine Tochter: „Das sind alles nur Phasen. Da musst du halt durch!“

Wirklich zufrieden war ich mit diesen, wohl der Beschwichtigung dienenden Aussagen bisher nicht.

Ist das unsere „Gesprächskultur“?

Doch warum ist das so? Wenn ich darüber nachdenke, scheint der Hauptaugenmerk einer jeden Partei im Dialog auf folgenden Gedanken zu liegen:

  • „Hab ich nicht Recht?“
  • „Kann man sich nicht denken, was ich meine?“
  • „Sieht man denn nicht, dass ich was anderes will?“
  • „Warum soll ich denn jetzt schon wieder zurückstecken?“

Letztendlich wird aus einem Gespräch ein Konflikt, wodurch sich die Parteien beispielsweise gekränkt oder zurückgewiesen fühlen, eventuell auch stur reagieren. Eine mögliche Folge wäre, dass man sich zurückzieht und nicht mehr reden möchte.

Ich persönlich fühle ein großes Ruhebedürfnis, um mich von den Konflikten zu erholen, mögen sie noch so klein gewesen sein.

Dann durfte ich die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg kennenlernen und ich muss sagen: Sie holte mich durch alltägliche Beispiele ab und berührte mich damit. Sie wirkte auf mich anders als die Sprache, die ich im Alltag erlebte. Reflektiert und auf Augenhöhe, sogar „erdend“, indem sie sich bedürfnisorientiert mit dem beschäftigt, worauf es wirklich ankommt.

Ich erfuhr die Sprache neu. „Es geht mir gut/schlecht“ reicht nun nicht mehr aus.

Theoretisch hangelt man sich an folgenden vier Schritten entlang:

  1. Beobachtungen: (wertfrei) formulieren, was wir gehört haben
  2. Gefühle: ausdrücken, wie wir uns damit fühlen
  3. Bedürfnisse: was brauchen wir, um uns (in Bezug auf die Beobachtung) besser zu fühlen?
  4. Bitten: lösungsorientiert eigene Bedürfnisse an das Gegenüber äußern und dessen Bedürfnisse dabei berücksichtigen

Praktisch springt man zwischen den Schritten hin und her. Ich durfte dies anhand meines eigenen morgendlichen Konfliktes erfahren:

  1. Beobachtung: Es ist 5 nach 8, wir stehen im Flur, Kind hat den Schlafanzug an.
  2. Gefühle: frustriert, angespannt, ratlos
  3. Bedürfnisse: Rücksichtnahme, etwas beitragen, Unterstützung
  4. Bitte: Zieh dich jetzt bitte an.

Vollständig formuliert könnte das dann wie folgt klingen:

„Ich sehe, dass du lachst, wenn du sagst, dass ich Ärger bekommen werde, wenn ich zu spät zur Arbeit komme. Das frustriert mich und es macht mich ratlos, wie ich mein Bedürfnis nach Pünktlichkeit zum Ausdruck bringen kann. Ich wünsche mir, dass Du Rücksicht nimmst und mich unterstützt, indem Du Dich jetzt anziehst.“

Die Gfk lenkte meinen Fokus weg von der Frage, wer denn was falsch gemacht habe, in eine neue Richtung: „Was macht dieser Konflikt mit mir? Wie fühle ich mich damit? Wo liegen meine eigenen Bedürfnisse?“ und ganz wichtig: „Wie kann das (Zusammen)Leben schöner gestaltet werden?“

Für mich war es nicht alltäglich, sich mit den eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Umso erstaunter war ich dann, als ich diese endlich benennen durfte und sogar benennen konnte. Man darf sein, wer man ist und kann sich sicher sein, nicht bewertet oder gar verurteilt zu werden.

Es fühlte sich geerdet an, als würde man an seine Basis zurückgeholt, von der aus nun das eigentliche Ziel definiert werden kann.

Dadurch, dass die GfK an vielen Beispielen erläutert wird, habe ich meine eigene Kommunikationsweise parallel reflektieren können. Dabei habe ich in Gedanken rückwirkend betrachtet, wie ich mich selbst in Gesprächen verhalten habe und überlegt, wie sich mein Gegenüber gefühlt haben mag. Hierdurch ist mir bewusst geworden, dass wir alle Bedürfnisse haben und diese am ehesten erfüllt werden, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen. Damit gemeint ist, dass ich meine eigenen Bedürfnisse nicht höher werte als die meines Gegenübers.

Diese erste Phase des Kennenlernens der GfK hat mich tatsächlich traurig gemacht. Traurig darüber, dass ich eine lange Zeit meines Lebens mit unnötigen Konflikten zugebracht habe, mich selbst und andere abgewertet oder auch verurteilt habe. Es stellte sich mir die Frage, warum wir nicht alle auf diese unkomplizierte Art kommunizieren. Denn auch, wenn es sich teilweise anfühlte als müsste ich wie im Englischunterricht Vokabeln lernen, empfinde ich die GfK als eine Sprache, die für jeden erlernbar ist.

Wie sieht das denn nun im Alltag aus?

Erst einmal fühle ich mich befreit. Befreit von der „Angst“ vor neuen Konflikten. Obwohl ich noch in einer Art „Trainingsmodus“ bin, nehme ich Gespräche anders wahr, und bin achtsamer mit mir selbst und anderen. Es ist eine Augenhöhe entstanden, ich nehme mich genauso wahr, wie mein Gegenüber und habe ein Verständnis dafür, dass wir alle Bedürfnisse haben, die bedacht werden wollen. Mein Alltag ist dadurch ruhiger geworden und eine höhere Lebensqualität scheint sich einzustellen. Auch wenn ich zwischenzeitlich in alte Muster verfalle, habe ich das Ziel, weiterhin mit der GfK zu kommunizieren.

Fazit:

Die GfK sehe ich als einen Prozess, der zu einer neuen Ordnung führen kann. Lange Konflikte im Privaten können gelöst werden, neue Konflikte können verhindert werden.

Erst die Theorie kennenzulernen und diese dann praktisch an einem eigenen Beispiel zu erfahren habe ich als wichtigen Schritt empfunden, um empathisch mit mir selbst zu sein. Dadurch habe ich nun ein Gefühl dafür, dass andere Menschen ähnliche Bedürfnisse haben und denke, dass ich nun besser auf sie eingehen kann.

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